Grossübung bei der Fa. HTU


So schützen die Feuerwehren im Bodenseekreis die Menschen bei Gefahrstoffeinsätzen

Drehleter aus Uhldingen und Salem

Quelle Südkurier Holger Kleinstück

Mehrere Feuerwehren aus dem Bodenseekreis üben im Gewerbegebiet Mühlhofen den Ernstfall. Es geht um die Bekämpfung von gefährlichen Stoffen. Oberbrandmeister Martin Glienke steht Rede und Antwort zum Vorgehen.

Eine Verpuffung in den Nitrieranlagen der Firma HTU Härtetechnik mit anschließender Brandentwicklung und unkontrolliertem Austritt von Ammoniak: Das war die Annahme bei einer größeren Übung im Gewerbegebiet Mühlhofen, an der jüngst mehrere Feuerwehren und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) aus dem Bodenseekreis teilnahmen. Wie Feuerwehren vorgehen, wenn es um die Bekämpfung von Gefahrstoffen geht, was es dabei alles zu beachten gilt und wie die Bevölkerung im Ernstfall geschützt wird, erläutert der Einsatzleiter, Oberbrandmeister Martin Glienke von der Freiwilligen Feuerwehr Uhldingen-Mühlhofen.

Keine reguläre Hauptübung für die Wehren

Zugrunde lag bei dieser Übung die Forderung beziehungsweise Ableitung aus der Störfallverordnung, die die Firma HTU als Störfallbetrieb der unteren Kategorie einstuft. Der Unterschied gegenüber einer regulären Hauptübung sei der Fokus, der hierbei gelegt werde, berichtet Glienke.

„Bei einer Hauptübung versucht man eher, den Zuschauern und Funktionsträgern die Leistungsfähigkeit einer Feuerwehr und deren Handwerk näherzubringen und die Technik sowie den Ablauf im Einsatz zu erläutern.“ Bei dieser Übung sei das Hauptaugenmerk auf die effektive Umsetzung der gestellten Aufgaben, den Zielerreichungsgrad und das Zeitmanagement in Zusammenarbeit mit externen Wehren und mit der Firma HTU gelegt worden.

Das waren Fragen wie: Wurden alle Aufgaben effektiv und schnellstmöglich erfolgreich abgearbeitet? Konnte eine gemeinsame Einsatzleitung schnell aufgebaut werden? Wurden die richtigen taktischen Maßnahmen in der Erstphase des Alarms eingeleitet? Reichen die internen Prozessabläufe seitens der Firma HTU für einen Havariefall aus?

Festes Vorgehen bei ABC-Gefahrstoffen

Wie geht nun eine Feuerwehr vor, wenn es bei der Alarmierung heißt, dass am Einsatzort Gefahren durch ABC-Gefahrstoffe – A: radioaktive Stoffe und Materialien, B: biologische Stoffe und Materialien, C: chemische Stoffe und Materialien – erkennbar sind oder vermutet werden? In dem Fall wendet die Feuerwehr laut Glienke standardmäßig die sogenannten GAMS-Regeln an – G: Gefahr erkennen, A: Absperren, M: Menschenrettung, S: Spezialkräfte nachfordern.

Dies sei ein Ablauf, den jede Führungskraft bei der Ausbildung auf der Landesfeuerwehrschule für den Havariefall erlerne. „Nach diesem Schema gehen die Einsatzkräfte bis zum Eintreffen der Spezialisten, in dem Fall dem Gefahrstoffzug aus Überlingen, vor“, erläutert Glienke.

Herausforderungen verschiedener Art

Gefahrstoffeinsätze seien stets mit Schwierigkeiten verbunden. „Die Besonderheiten liegen in dem Stoff, mit dem man es zu tun bekommt. Ist dieser unbekannt, ist größte Vorsicht geboten“, sagt Glienke. „Manche Stoffe sind hochentzündlich, manche sehr reaktionsfreudig, manche massiv umweltschädigend oder manche wiederum können über die Haut in den Organismus gelangen und dort Zellen schädigen.“ Das Spektrum sei riesig und könne in Industriebetrieben ein ernst zu nehmendes Thema werden.

Sei der Stoff bekannt, könnten aber entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Hierbei müssten auf viele Begebenheiten Rücksicht genommen werden wie etwa Windrichtung, Temperatur, Menschen in Gefahr oder Umwelt und der Sicherheitsabstand dementsprechend eingerichtet werden. Glienke: „Bei diesen Einsätzen sind massive Personalkapazitäten notwendig, da unter den Spezialanzügen, die die Kollegen tragen müssen, die Einsatzzeiten stark eingeschränkt sind.“

Zwei Gefahrstoffzüge und weitere Kräfte

Die entsprechende Ausbildung erfolgt Glienke zufolge bei einem Speziallehrgang an der Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg. Der Lehrgang „ABC-Einsatz“ richte sich auf das strukturelle Abarbeiten von Gefahrstoffeinsätzen im Gefahrstoffzug aus. Auch Führungskräfte eines Gefahrstoffzuges würden entsprechend ausgebildet. „Dieser ist genau auf die Führungskräfte im Havariefall ausgerichtet“, sagt Glienke. Im Bodenseekreis gibt es ihm zufolge zwei Gefahrstoffzüge sowie weitere Komponenten aus anderen Wehren, die einen großen ABC-Einsatz mit weiterem Material und Know-how unterstützen können.

Güterverkehr kann Überraschungen bergen

Er macht darauf aufmerksam, dass die Feuerwehren üblicherweise mit Gefahrstoffen wie beispielsweise Diesel und Heizöl, Benzin, Erdgas, Kohlendioxid und -Monoxid oder Chlorgas konfrontiert seien, da diese Stoffe bei weitem häufiger auf den Straßen beziehungsweise in Kellern oder Garagen anzufinden seien als Gefahrstoffe, die in großen Mengen beispielsweise für Härtereien benötigt werden. Glienke: „Aber auf der B 31 kann es jederzeit dennoch zu Überraschungen kommen, da hier natürlich auch sämtlicher Güterverkehr von A bis Z das Land von Ost nach West durchquert.“

Und was unternimmt eine Feuerwehr im Ernstfall, wenn die Gefahr beispielsweise einer Kontamination besteht? „Menschen, die direkt mit einem gefährlichen Stoff in Kontakt gekommen sind, erhalten unmittelbar nach Eintreffen durch die Einsatzkräfte eine Notdekontamination und werden dabei entkleidet und sofort dem Regelrettungsdienst zur Behandlung zugeführt“, erläutert der Oberbrandmeister.

„Weitere Tätigkeiten sind das großräumige Absperren des Gefahrenbereichs sowie die Windkalkulation, um eine Verbreitung möglichst vorauszusagen.“ Unmittelbar danach folge beispielsweise eine Warnung über Durchsagen der Polizei- oder Feuerwehrfahrzeuge sowie eine Warnung über die gängigen Notfall-Apps wie Nina und Radiodurchsagen.

Quelle Südkurier Holger Kleinstück

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